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Objet du mois

Das Gebetbuch des Teufels

Ein herausragendes Exponat des Töpfereimuseums Raeren ist eine sogenannte „Schnapsbibel“ aus braunem Raerener Steinzeug. Es handelt sich dabei um eine Leihgabe der Kgl. Museen für Kunst und Geschichte in Brüssel.

Das Gefäß imitiert die Form eines Buches, mit Ledereinband, steifen Buchdeckeln und zwei Buchschließen. Bis hin zum Seitenschnitt, der durch Glasurauftrag angedeutet wird, ist die Täuschung perfekt. Ähnliche Buchimitationen aus Raerener Steinzeug gibt es in verschiedenen anderen Museen. Vor allem die Exemplare aus brauner Keramik sehen dabei täuschend echt aus.
Bereits M.L. Solon, einer der ersten Autoren zum Thema Rheinisches Steinzeug, kennt im 19. Jh. ein solches Gefäß, das er allerdings als Handwärmer bezeichnet. Diese Deutung hatte bis vor wenigen Jahren Gültigkeit. Einer solchen Nutzung widerspricht allerdings die Tatsache, dass die kreisrunde Öffnung einen verschieden hohen Randabschluss aufweist und sich somit kaum zum Verschließen eignet.

Vielmehr handelt es sich um ein Scherzgefäß, aus dem Hochprozentiges getrunken wurde. Solche Objekte waren in der Renaissance sehr beliebt und entspringen der Lust am Spiel und an der Täuschung. Auch heute noch kennen wir solche „livres feints“ in Form von Hüllen für Videokassetten, die einen Bucheinband imitieren, oder aber als Scheinbücher, die von außen dicke Folianten sind, innen jedoch ausgehöhlt wurden und zur Aufbewahrung von Whisky- oder Likörflaschen, Waffen, Spielkarten, o. ä. dienen.
Dass solche Täuschungen aus Keramik vor allem im 16. und 17. Jh. sehr beliebt waren, bestätigt eine Töpferordnung der Habaner (hutterische Brüder) von 1612. Diese Widertäufersekte forderte eine Rückwendung zur Einfachheit urchristlicher Lebensformen. Neben teuren Glasuren auf Keramik verbieten sie das Anbringen von Zinn- oder Bleieinfassungen. Außerdem schreiben sie folgendes vor: „Die Füergestellten [Vorsteher, d. Verf.] sollen drob halten und nit zuegeben, das man so unerbare trinckhgeschüere mache, nach Büchern, Stiffeln und derogleichen geformört, als ob man nit wüsste, wie man sie [ die Käufer, d. Verf.] zur Fillerey reitzen solle.“

Die Frommen dieser Zeit bezeichneten die lästerlichen Nachbildungen von Bibeln, Gesangs- oder Gebetbüchern zum Genuss von Alkohol daher auch als „Teufelsgebetbücher“.



Literatur:
DAUTZENBERG, B./HEIN, A./ MOMMSEN, H./ SCHULER, A.: Hochprozentiges unter frommem Deckmantel, in: Archäologie im Rheinland 1996, Brauweiler 1997, S. 149 ff.

KLINGE, E.: Deutsches Steinzeug der Renaissance und Barockzeit, Düsseldorf 1979, S. 61, Abb. 103 und S. 78, Abb. 143

KLINGE, E.: Duits steengoed, Amsterdam 1996
KÖSTER, K.: Schnapsbibeln und Teufelsgebetbücher – Trinkgefäße in Buchform vom 16. bis 19. Jh., in: Festschrift für Peter Wilhelm Meister, Hamburg 1975, S. 136 ff.

MENNICKEN, R.: Raerener Schnapsbibel in Jülich gefunden, in: Raerener Museums-Kurier Nr. 3, Raeren 1997, S. 21 ff.

SOLON, M.L.: The ancient art stoneware of the low countries and Germany, Vol. I, London 1892, S. 200, Fig. 138

Un texte du Musée de la Poterie de Raeren, info@toepfereimuseum.org